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Interessantes für Unternehmen
05.11.2020

Sag wie hast Du’s mit dem Homeoffice?

Die neue Gretchenfrage
Das Homeoffice ist wieder und immer noch da! Zu den zahlreichen Artikeln mit den Vorzügen und eventuellen Nachteilen der online Zusammenarbeit möchte ich keine neuen Erkenntnisse hinzufügen. Ich stelle aber fest, dass die Frage nach dem Homeoffice zur neuen Gretchenfrage in der Rekrutierung mutieren könnte.

05.11.2020

Sag wie hast Du’s mit dem Homeoffice?

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Das Homeoffice ist wieder und immer noch da! Es liegt im Trend: In Vorstellungsgesprächen fragen Kandidatinnen und Kandidaten zunehmend danach oder pochen darauf – während viele HR-Verantwortliche nur ungern darauf antworten. Ich stelle fest, dass dieses Verlangen der Angestellten sich zur neuen Gretchenfrage in der Rekrutierung entwickelt.

Bereits früher hatte die Arbeitgeberseite ihre Mühe damit. Die Frage nach Homeoffice konnte eine Vorstellungsrunde vergiften. Es konnte nur schon heikel werden, wenn Angestellte fragten, ob Arbeitsstunden, die sie auf dem Arbeitsweg geleistet haben, angerechnet werden.

Nun hat die Diskussion ein viel grösseres Ausmass angenommen. Firmenvertreterinnen und -vertreter steigen darauf eher vorsichtig und misstrauisch ein, mit einer Mischung von: Halb zog sie ihn, halb sank er hin.

Einerseits sorgen sich die Chefs und Chefinnen um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden und deren Angehörigen. Zugleich streben Führungsverantwortlich und ihre HR-Abteilungen danach, die Arbeitsleistung stabil zu halten. Sie ringen darum, einen möglichst «normalen» Arbeitsprozess sicher zu stellen. Schliesslich gilt es, Dienstleistungen und Produkte weiter anzubieten und Projekte weiter voranzutreiben. Daher hoffen viele Vorgesetzte, der Homeoffice-Spuk möge bald ein Ende haben.

Denn obschon viele Angestellte in Homeoffices derzeit hochwertige Leistung erbringen, häufen sich in den Führungsetagen neue Herausforderungen.

Folgende Knackpunkte müssen auf Führungsebene gelöst werden:

  • Wie geht die Geschäftsleitung mit Mitarbeitenden um, die neue Arbeitsgeräte fürs Homeoffice installieren, ohne mit der IT-Struktur des Unternehmens Rücksprache zu nehmen?
  • Wie reagiert man auf die lauter werdenden Forderungen nach Entschädigungsleistungen für Homeoffice-Einrichtungen?
  • Wie sieht ein allgemeingültiges, verbindliches Reglement für die Arbeitszeiterfassung im Homeoffice aus?
  • Welche Rahmenbedingungen stellt ein Unternehmen auf, damit Mitarbeitende im Homeoffice erreichbar sind?
  • Welche Abteilungen gehen in welcher Kadenz ins Homeoffice?
  • Wie stellt man sicher, dass sich Teams weiterhin auch physisch treffen?
  • Wie können neue Mitarbeitende gut eingearbeitet werden, so dass sie trotz Virtualität Anschluss finden?

Bei derartigen Fragen begeben sich die Verantwortlichen auf neuartige Gratwanderungen: Als Novartis vor kurzem etwa die App «Arbeitsplatz-Analytics» einführte, sollte diese den Mitarbeitenden helfen, ihren Arbeitsalltags im Homeoffice zu strukturieren. Sie sollte Hilfe leisten bei der Selbstorganisation. Gut gemeint, aber zugleich heikel: Zahlreiche Kritikerinnen und Kritikern verstanden die neue App als neues Kontrollinstrument und stellten dieses empört in Frage.

Mehraufwand bringt Verantwortliche an ihre Grenzen

Viele Führungsverantwortliche leisten aufgrund dieser neuen Knack- und Kritikpunkte markant mehr Arbeit: Unter schwierigen Voraussetzungen verantworten sie weiterhin die Resultate der Arbeitsergebnisse. Sie haben während des Distance Workings für Teamgeist und Verbundenheit unter Mitarbeitenden zu sorgen. Sie müssen neu agile Projektteams in Homeoffices führen und sich in der virtuellen Führung bewähren.

Wichtige Botschaften gehen verloren

Und dies mit unabsehbaren Folgen: Ich frage mich zum Beispiel, was auf Dauer geschieht, wenn wir in Videokonferenzen nur einen Bruchteil der Kommunikation wirklich mitbekommen? Wie verstehen oder missverstehen wir uns, wenn Stimme und Mimik in Teams-Besprechungen zwar wahrgenommen werden, zugleich aber viele nonverbale Aussagen fehlen? Man weiss aus der Forschung, dass ein Grossteil der Wirkung über nonverbale Kommunikation stattfindet. Somit sind wichtige Botschaften über Video nachweislich nicht vermittelbar.

Homeoffice gilt zunehmend als Wettbewerbsfaktor

Während die Unternehmen also noch mit Risiken, Herausforderungen und Mehraufwand kämpfen, fordern immer mehr gut ausgebildete Arbeitnehmende ein Homeoffice auf Dauer. Sie schätzen die damit verbundenen neuen Freiheiten und setzen auf Eigenverantwortung. Natürlich gibt es auch Mitarbeitende, die sich mit dem Homeoffice schwertun, da sie sich isoliert fühlen oder mehr persönlichen Austausch suchen. Ich höre aber zunehmend die Forderung nach grosszügigen Home-office-Reglungen. Unternehmen, die damit auftrumpfen können, haben also einen Wettbewerbsvorteil.

Die Kehrseite der neuen Freiheit

Aber Achtung: Die Arbeitnehmenden müssen für ihre neuen Freiheiten wohlmöglich einen hohen Preis bezahlen.

Denn die aktuelle Entwicklung bringt auch für Angestellte neuen Risiken:

  • Gewisse Unternehmen prüfen, ob sie einen Teil der Arbeit künftig extern einkaufen, anstatt Mitarbeitende fest anzustellen. Dadurch können Arbeitsplätze verloren gehen.
  • Remote Office ersetzt Homeoffice: Chefs und Chefs fragen sich, ob sie Arbeitsplätze nicht gleich ins Ausland verlagern, wenn die hiesigen Mitarbeitenden sowieso nicht mehr präsent sind oder sein wollen?
  • Firmen prüfen, ob sie ihre teuren Büroplätze an bester Innenstadtlage aufgeben. Heben sie bislang geschätzte Begegnungszonen in Grossraumbüros auf, gehen beispielsweise Kantinen und Räume für Mitarbeiteranlässe verloren.

Gesucht: Mehr Eigenverantwortung und Disziplin

Auch in ihrer direkten Arbeit im Homeoffice bezahlen die Mitarbeitenden ihren Preis. Nebst den neuen Freiheiten kommen auch neue Verpflichtungen auf sie zu: Arbeitgebende und Vorgesetzte pochen auf Kontrolle und setzen auf messbare, vereinbarte Arbeitsleistung. Wenn Arbeitnehmende über Ergebnisse geführt werden wollen und ihre Arbeit von Zuhause eigenverantwortlich erledigen, dann arbeiten sie selbständig. Das bedeutet: Sie müssen auch mal streng mit sich selbst sein und sich regelmässig zur Disziplin aufraffen.

Das ist auf Dauer nicht einfach. Es braucht viel Reife und Eigeninitiative, seine eigenen Leistungen kritisch zu kontrollieren, seine Herangehensweise gegebenenfalls zu korrigieren und sich zu motivieren, nochmals einen Anlauf zu wagen.

Goethe hat wohl auch in die Zukunft geblickt, als er einst sagte: «Wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt ewig Knecht.»

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